Sonntag, 20. November 2005

Sigur Rós – 6.11.2005 – Palladium, Köln

Verglichen mit dem VdGG Konzert vom Vortag ein Kulturschock, was das Publikum angeht. Sigur Rós haben offensichtlich eine große Anhängerschar in der alternativen Szene, in Österreich würde man sagen, beim FM4-Mainstream-Publikum mit Franz-Ferdinand-Pulli und Oasis Haarschnitt. Entsprechend groß die Location, das Palladium in Köln fasst wohl so um die 5.000 Besucher und es sollte brechend voll werden an diesem Abend.

Als Vorgruppe stimmte die Damencombo Anima, die als Gastmusikerinnen auch beim Hauptact mitwirkten an Geigen, Xylophon, singender Säge, Wassergläsern und Samples auf Sigur Rós´ Ambient wie Noise Attacken ein.

Die Isländer verstehen es, sich eindrucksvoll zu inszenieren. Der Erste (wie später ach der letzte) Song wurde hinter einer vorgezogenen Leinwand zum Besten gegeben, einfache aber ums effektvollere Beleuchtung sorgte für interessante Schattenspiele, die das Markenzeichen der Isländer, den seine Gitarre mit einem Geigenbogen streichenden Sänger und Gitarristen Jón Thór Birgisson auf die ganze Höhe der Leinwand überhöhte.

Auf Konzertlänge aufgeblasen wurde jedoch schnell klar, dass das Konzept von Sigur Rós, der Sound, den sie prägten und der sie einzigartig macht, für zwei Stünden nur bedingt ausreicht. Zu selten kamen die Ausflüge ins krautrockige, wenngleich der Schlusspunkt des regulären Sets, Track 8 vom Album () mit seinem gelungenen Spannungsaufbau und wilden Ausbruch am Ende einen versöhnlichen Höhepunkt darstellte, der für einige Längen während des Konzertes entschädigte.

Mittwoch, 16. November 2005

Van Der Graaf Generator – 5.11.2005 – Forum, Leverkusen

Ende November 2004 verkündeten Van der Graaf Generator – Peter Hammill, Hugh Banton, David Jackson und Guy Evans ihre Reunion. Ziemlich genau 26 Jahre, nach ihrem letzten Live-Auftritt (der freilich in anderer Besetzung stattfand). Die Tickets für den zunächst einzigen angekündigten Gig am 6. Mai 2005 in der Royal Festival Hall zu London waren in kürzester Zeit vergeben, das Konzert ein internationaler Event, den Fans aus allen Teilen der Welt beiwohnten. Schließlich wurde aus der Reunion noch mehr als ein – hervorragendes – Doppel-Album (Present) und ein one-off Gig. Eine Tour startete. Insgesamt nur 19 Konzerte sollten es werden, eines davon am 5. November in Leverkusen im Rahmen der Jazztage. Da brauchte es nicht wirklich lange Überlegungen, um einen kleinen Urlaub in den dortigen Gefilden zu verbringen, zumal der Auftritt von Sigur Rós in Köln am darauf folgen Tag dies umso mehr nahe legte. Für 2 Gigs zahlt sich so ne Tour schon aus ;). Und Köln darüber hinaus eine tolle Stadt.

Nach überzeugenden Auftritten der Support-Künstler Paddy Millner und Dave Hole, der eine eine Londoner Jazz-Pianist, der andere Rock-Blueser, beide mit energetischen Auftritten bei perfektem Sound. Wie auch bei VdGG selbst war das WDR-Rockpalast-Team mit großem Aufwand dabei mitzuschneiden.

Dann endlich VdGG nehmen die Bühne. Doch sie legen nicht sofort los Der Fehlerteufel hat sich eingeschlichen, Probleme mit einem Sax von Jackson. Peter Hammill nimmts mit Humor: „Ihr habt 27 Jahre auf uns gewartet, da machen ein paar Augenblicke länger auch nichts aus.“ Recht hat er und endlich geht’s los mit The Undercover Man vom grandiosen Godbluff-Album, ihrem wohl besten Werk. Die Setlist bietet einen repräsentativen Querschnitt des Schaffes der Band auch die zwei besten neuen Nummern, Every Bloody Emperor und Nutter Alert fügen sich nahtlos ein. Ich hätte gerne auch noch In Babelsberg gehört, aber man kann nicht alles haben. Beeindruckend war vor allem Peter Hammills Gesang, einfach unglaublich, wie gut er stimmlich noch immer drauf ist, keine Schwächen zeigte bei seinen expressionistischen Vocals.

David Jackson wusste am Sax und an diversen Flöten selbstverständlich zu überzeugen und bot auch sein Markenzeichen auf, spielte zwei Saxophone gleichzeitig.

Hugh Banton hielt an den Keyboards alles zusammen und Guy Evans ließ an den Drums mitunter das Tier raus.

Ein fulminanter Abend, nostalgisch für die einen, ein faszinierender Gig einer Band wie es sie heutzutage in dieser künstlerischen Kompromisslosigkeit nicht mehr gibt – abgesehen vielleicht von Ihren Kollegen von King Crimson - für die anderen.

Setlist:

01. The Undercover Man
02. Scorched Earth
03. Every Bloody Emperor
04. Lemmings
05. Darkness
06. Childlike Faith
07. Sleep Walkers
08. Nutter Alert
09. Man Erg
10. Killer
11. Wondering

Sonntag, 30. Oktober 2005

Oceansize - 25.10.2005 - New Backstage Club, München

Die Briten von Oceansize haben mit ihrem neuen Album Everyone Into Position ihre Führungsrolle im Noise/Wall-Of-Sound-New-Artrock eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Ihr Auftritt im New Backstage Club in München war furios. Die fünf Jungs hatten zwar offensichtlich Mühe ihr Equipment auf der kleinen Bühne unterzubringen und waren während des Gigs in ihrer Bewegungsfreiheit etwas eingeschränkt, lieferten aber eine überzeugende Vorstellung ab, die von den Fans in der proppevollen Location gebührend gefeiert wurde. Im Mittelpunkt standen naturgemäß Songs vom aktuellen Album, und trotz einem nicht perfekt abgemischten Sound kamen durchaus auch die Feinarbeiten der drei Gittaristen zum Tragen. Wenn die drei in perfektem Zusammenspiel ein Soundnetz weben, dass immer feinmaschiger wird und darüber noch die Leads schweben lassen, in diesen Momenten fabrizieren Oceansize abheb-verdächtige Musik allererster Güte.

Mittwoch, 19. Oktober 2005

Dream Theater - 17.10.05 - Tonhalle, München

Dream Theater boten am Montag in der Münchner Tonhalle vor ca. 1500 Besuchern einen vor allem im ersten Set spektakulären Querschnitt ihrer schnellsten Soli ;) . Höhepunkt für mich war jedoch Octavarium, DTs Huldigung des Prog-Rock. Negativ war der teils katastrophale Sound, eine Band dieser Klasse sollte sich einen ordentlichen Tonmann leisten können. Vielleicht lags auch am Equipment der Halle.

Setlist:

The Root Of All Evil
Panic Attack
Another Won (Majesty)
Afterlife
Caught In A Web
Under A Glass Moon
Peruvian Skies
Fatal Tragedy
About To Crash (Reprise)
Losing Time / Grand Finale

---Pause---

As I Am
Endless Sacrifice
These Walls
Sacrificed Sons
Octavarium

---ENCORE---

The Spirit Carries On
Pull Me Under / Metropolis

Samstag, 1. Oktober 2005

Top Alben 2004

Die letzte Sendung des Jahres, oder auch die erste des neuen, dient, wenig originell, auch beim Garden Of Dreams dem Rückblick auf die Highlights des Jahres.
2004 waren das, wenn ich mich recht erinnere:

1) Marillion - Marbles
2) Blackfield - s/t
3) The Gathering - Sleepy Buildings
4) ProjeKct Three - Live In Austin, Texas 1999
5) Riverside - Out Of Myself

Top Alben 2003

Die letzte Sendung des Jahres, oder auch die erste des neuen, dient, wenig originell, auch beim Garden Of Dreams dem Rückblick auf die Highlights des Jahres.
2003 waren das, wenn ich mich recht erinnere:

1) King Crimson - The Power To Believe
2) Porcupine Tree - In Absentia
3) Muse - Absolution
4) Radiohead - Hail To The Thief
5) No-Man - Together We´re Stranger
6) A Perfect Circle - Thirteenth Step
7) Dream Theater - Train Of Thought

Jede dieser Scheiben ist nach wie vor regelmäßig in meinem CD-Player zu Gast. Ein fantastischer Jahrgang!

Top Alben 2002

Die letzte Sendung des Jahres, oder auch die erste des neuen, dient, wenig originell, auch beim Garden Of Dreams dem Rückblick auf die Highlights des Jahres.
2002 waren das, wenn ich mich recht erinnere:

1) Peter Gabriel - Up
2) Sigur Ros - ()
3) Spock´s Beard - Snow
4) Porcupine Tree - Stars Die
5) Enchant - Blink Of An Eye

Rückblickend halten sich 1, 2 & 4 nach wie vor gut, die Attraktivität des Enchant Albums ist doch sehr schnell verpufft. Insbesondere () ist für mich mittlerweile ein zeitloser Klassiker.

Dream Theater - 13. Juni 2005 - Posthof, Linz

Die „Kings of Progressive Metal“ zum ersten Mal nach sieben Jahren wieder in Österreich. Eine kleine Sensation war es schon, als das Konzert im für Dream Theater Verhältnisse relativ kleinen Linzer Posthof bekannt gegeben wurde. Natürlich war der Gig nicht nur ob der langen Zeit des Darbens der österreichischen Fans schnell ausverkauft, es war auch der erste von nur einer Handvoll „An evening with...“ Shows, die während dieses sommerlichen, von Festival-Auftritten dominierten Parts der Octavarium Tour, stattfanden. Dementsprechend international war das Publikum. Musikalisch breit gefächert war es sowieso, schließlich verstehen es Dream Theater den adoleszenten Metal-Fan ebenso anzusprechen wie am technischen Aspekt der Darbietung interessierte Musiker und nach Bombast und Epen gierende Progheads. Sie alle sollten während der fast dreistündigen Show voll auf ihre Kosten kommen.

Nachdem die Band zu den Schlussakkorden von In The Name Of God die Bühne betreten hatte, donnerte sie wütend drauf los mit The Root Of All Evil. Bereits hier deutete sich an, dass James La Brie einen wirklich guten Tag erwischt hatte, sowohl stimmlich, als auch was seine Anheizerqualitäten betrifft. Der Sänger, oft als Schwachpunkt der Band betrachtet, erwies sich als echte Stimmungskanone. Er nutzte die Nähe des Publikums in der kleinen Halle zum ausgiebigen Abklatschen und Händeschütteln und animierte mit vollem Körpereinsatz zum Mitsingen, während die übrigen Musiker nur dem Bewegungsdrang ihrer Finger nachgaben (von Mr. Portnoy´s obligaten Spuckeinlagen einmal abgesehen...). Mit A Fortune In Lies und Under A Glass Moon ging es zunächst an die Anfänge der Bandgeschichte zurück ehe der Frickelgemeinde bei Panic Attack auch bei einer neuen Nummer warm ums Herz wurde. Ein erster Höhepunkt war Endless Sacrifice, das sich als echter Fanfavorit entpuppte. Nach einem leider nur geschwindigkeitsmäßig beeindruckenden Keyboard-Solo von Jordan Rudess stürzte sich die Band frisch erholt in die Scenes From A Memory-Kracher Through My Words und Fatal Tragedy, ehe der erste Set mit In The Name Of God triumphal beschlossen wurde.

Beginn und Ende des zweiten Sets bildeten Stücke von Six Degrees Of Inner Turbulence. Überzeugender kamen allerdings die damit umklammerten übrigen Songs, insbesondere Learning To Live mit einem wahrlich hörenswerten Improvisationsteil. Mit Never Enough wurde das Tempo nochmals verschärft, allerdings war der Autor dieser Zeilen wohl nicht der einzige der sich fragte, ob man so offensichtlich von Muse abkupfern darf, dass es beinahe zur Karikatur verkommt. Mike Portnoy & Co. wollen offensichtlich zeigen, dass sie alles können, nur scheinen eigene Innovationen zuletzt aus ihrem Blickfeld geraten zu sein. Es folgte Sacrificed Sons, DTs 9/11 Thematisierung dessen großartiger musikalischer Spannungsaufbau den typisch amerikanisch-patriotischen Text vergessen lässt. Danach nahmen die Jungs mit The Spirit Carrys On und Solitary Shell ein wenig das Tempo raus und ließen das Publikum ordentlich mitsingen. So richtig zur Sache ging es erst wieder bei den Zugaben. Der Train Of Thought Opener As I Am wurde nicht nur wegen John Petruccis Gitarrensolobestzeit stürmisch bejubelt, der Song gewann enorm durch die druckvolle Liveumsetzung, ebenso wie das beim Publikum nach wie vor hoch im Kurs stehende Pull Me Under.

Dream Theater präsentierten sich den 1.200 Fans in einer bemerkenswert tighten Verfassung, wenn man bedenkt, dass es sich um die erste dreistündige Show der Tour handelte. Für den Herbst lässt dies fulminante Konzerte der New Yorker erhoffen.

Setlist:

The Root of All Evil
A Fortune In Lies
Under A Glass Moon
Panic Attack
Endless Sacrifice
Keyboard Solo
Through My Words
Fatal Tragedy
In The Name of God

~~Pause~~

Overture
About To Crash
Learning To Live
Never Enough
Sacrificed Sons
The Spirit Carries On
Solitary Shell
About To Crash (reprise)
Losing Time/Grand Finale

~~Zugaben~~

As I Am
Pull Me Under

Amplifier - 25. Juni 2005 - Rockhouse, Salzburg

Amplifier haben mich umgehauen. Ihr Debutalbum hatte ich schon zu Hause, fand es aber bis zum Konzert nicht über-drüber-genial. Der Gig hat das geändert. Immerhin knapp 200 Leutchen hatten sich ins Salzburger Rockhouse verlaufen um die drei Power Trios Frame, Amplifier und Harmful zu erleben.

Frame, die Lokalmatadoren, spielten einen geradlinigen und melodieseligen Rock, stellenweise an Placebo erinnernd und doch ziemlich überzeugend. Harmful, die armenischen Headliner aus Deutschland, präsentieren einen Noise-Wall-of-Sound, den ich nicht durchdringen konnte. Für mich klang ein Song wie der andere, und ich hätte es den meisten anderen gleichtun sollen, die schon während den ersten 20 Minuten des 2-Stunden-Harmful-Sets das Weite suchten.

Und zwischen den vielversprechenden Frame und den auf ganzer Linie enttäuschenden Harmful spielten die Briten Amplifier einen energetischen und intensiven Gig, wie man ihn nur selten erlebt. Immer wieder gab es jene Momente, in denen man den Eindruck hat, dass nicht die Band die Musik spielt, sondern die Musik die Band spielen lässt. Die Musiker waren dermaßen „drin“ in ihrer Musik, in einem tranceähnlichen Zustand, der es ihnen ermöglichte, ihr Repertoire auf eine höhere Stufe zu führen. Spätestens bei der Schluss-Nummer Airborne war der ganze Saal von der Musik erfasst, von diesem schwebenden, schweren Donner, dieser atmosphärischen Hochschaubahnfahrt.

Die Begrüßungsworte von Gitarrist & Sänger Sal Balamir waren Programm: „Wir sind von ziemlich weit hergekommen, um heute hier spielen zu können, also spielen wir jetzt, ohne lang rumzuquatschen!“ Und das taten sie. Überzeugend, überwältigend. Und jetzt, die CD: ebenfalls genial. Wieder eine Band, deren Musik man etwas Zeit geben muss. Ein paar Durchläufe & wenn es geht ein Gig dieser Band und man hört für einige Zeit kaum mehr was anderes. Mitte Oktober veröffentlichen Amplifier eine neue EP, ich freu mich drauf!

Elbow - Cast Of Thousands

Wieviel Schönheit geht auf eine CD? In diesem Fall 50 Minuten und 9 Sekunden. So lange ist “Cast of Thousands”, das neue Album der Briten Elbow, und von der ersten bis zur letzten Sekunde dieses Meisterwerks schwebt man einen halben Meter über dem Boden, mit einem breiten Grinsen im Gesicht. Und es verschwindet nicht, denn diese Platte hat das, was große Alben immer schon ausgezeichnet hat: sie wird mit jedem Durchlauf besser, ständig eröffnen sich neue Details, entfaltet sich das Elbow-Sounduniversum in seiner ganzen melancholischen Pracht.
Für ihr Debut-Album “Asleep In The Back” hatte sich die Band aus Manchester noch zehn Jahre lang Zeit gelassen - notgedrungen, denn so lange dauerte es, bis sie ein Label fanden, dass sie nicht sogleich wieder fallen ließ. Die Songs von “Cast Of Thousands” hatten nicht so lange Zeit um zu reifen, diesmal sollte die Ernte schneller eingefahren werden. Trotz aller anfänglichen Zweifel der Band, ob es unter Zeitdruck möglich sein würde, den Standard des hochgelobten Vorgängers zu erreichen, schafften sie es und setzten sogar noch einen drauf. Irgendwo zwischen Radiohead, The Verve und REM zu “New Adventures in Hi-Fi”-Zeiten haben sie ihren eigenen, unverwechselbaren Sound gefunden, beeinflußt auch von den späten Talk Talk und der Beta Band. Abgedreht, neurotisch, melancholisch, dazu subtile, unwahrscheinlich effektive Melodien. “Prog-Rock ohne Solos” pflegt Sänger Guy Garvey den Stil seiner Truppe zu charakterisieren. Nicht zu unrecht, denn diese Musik ist progressiv im wahrsten Sinne des Wortes. Oft gelingt es ihr zu überraschen: Den Gospelchor im Opener “ribcage” hätte man wohl nicht vermutet, dass dieser gegen Ende der Platte im Höhepunkt “grace under pressure” wiederkehrt, überrascht dann weniger - die Unterstützung durch das Publikum des Glastonbury Festivals 2002, das im Chor “We still believe in love, so fuck you!” singt, macht dann aber klar: wird einmal Bekanntes wiederholt, folgt sofort das nächste Experiment. Elbow zeigen mit “Cast Of Thousands”, dass sie zu den innovativsten Popgruppen der letzten Jahre zu zählen sind. Scheinbar mühelos verstehen sie es, kompositorische Meisterwerke in eingängige Popsongs zu verpacken und dem Hörer die große Kunst geradezu unterzujubeln. Genial. Guter Pop, der nie fade wird und sich garantiert auch in 20 Jahren noch ohne Schamgefühl hören läßt. Also: kaufen, einlegen, Kopfhörer aufsetzen, play drücken, Augen schliessen und - schweben!

Dead Soul Tribe - A Murder Of Crows

“A Murder Of Crows” ist das zweite Album, das der in Wien lebende US-Amerikaner Devon Graves unter dem Bandnamen Dead Soul Tribe veröffentlicht. Er liefert damit die von ihm gewohnte Qualitätsarbeit ab. Mit der kalifornischen Metal-Band Psychotic Waltz wurde Graves, damals unter dem Pseudonym Buddy Lackey bekannt, von der Kritik gefeiert. Das Debutalbum “A Social Grace” von 1991 wurde als “Platte des Jahrzehnts” gepriesen. Der kommerzielle Erfolg blieb zwar aus, die Band genoß jedoch Kultstatus und baute eine treue Fangemeinde auf. 1997 stieg Graves, der ständigen Kompromißsuche einer gemeinsam komponierenden Band müde geworden, aus. So überrascht es nicht, dass Dead Soul Tribe weniger eine Band, als ein Soloprojekt ist.

Wie schon beim selbstbetitelten Erstlingswerk, so komponierte Graves auch sämtliche Stücke von “A Murder Of Crows” selbst und spielte alle Instrumente, abgesehen vom Schlagzeug, selbst ein. Zudem zeichnete er für die Produktion des Longplayers verantwortlich, wobei er die Freiheit seines eigenen Tonstudios genießt. Erstmals konnte er so seine Vorstellungen als Komponist, Sänger und Multiinstrumentalist 1:1 umsetzen: “Meine Musik kommt von innen. Ich kann sie in allen Details hören, bevor ich überhaupt weiß, wie sie zu spielen ist. Mit der Gitarre in meinen Händen und der Aufnahme-Taste an meiner Finderspitze werde ich zum Medium zwischen meinen Ideen und eueren Ohren.” Und was unsere Ohren erreicht, ist in höchstem Maße überzeugender Prog-Rock, der weder in die Genre-Klischeefalle abgehobener Sci-Fi Texte tritt, noch sich in inhaltslosem gefrickel à la Dream Theater verfängt, sondern einen eigenständigen Sound entwickelt und mit persönlichen Texten überzeugt.

Graves unverwechselbare Stimme trägt die Songs durch die düstere Thematik, die den roten Faden des Albums bildet. Berichtete Devon auf dem letzten Album noch vom Überwinden seiner schweren persönlichen, von Selbstmordgedanken geprägten Krise, so ist “A Murder Of Crows” vom Gedanken inspiriert: “Wenn es wahr ist, dass Krähen die Seelen der Toten ins Jenseits tragen - was passiert dann mit jenen Seelen, die von Krähen getragen werden, die nicht ankommen?” Poetisch wirft Graves allerlei existentialistische Fragen auf, Antworten haben wir alle unsere eigenen zu finden. Der Sound von Dead Soul Tribe ist passagenweise vergleichbar mit jenem von Tool und A Perfect Circle, jedoch gibt sich Devon Graves weniger nihilistisch und in manchem Songaufbau etwas altmodischer bombastisch, was sich jedoch nur positiv auswirkt. Graves und Drummer Adel Moustafa zeigen sich enorm spielfreudig und dynamisch, oft aggressiv, aber auch mit einem Ohr für starke Melodien, die in den akustischen Passagen geradezu virtuos vorgetragen werden. Im epischen Track "Black Smoke and Mirrors" etwa brilliert Graves an der Flöte.
Für Abwechslung ist also gesorgt auf “A Murder Of Crows”, das all jenen ans Herz gelegt sei, die gerne mal ein Album am Stück anhören und bereit sind, sich auf eine emotionale Reise mit der Musik einzulassen.